Unsere Deutsche Wurzeln - Our German Roots
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FESTSCHRIFT ZUR GENERAL-KIRCHENVISITATION 1928:

Teil 1. Begrüßungsschreiben, Das Evangelium im Strehlener Lande, Das Gemeinschaftsfest auf dem Rummelsberge.
Teil 2. Arnsdorf, Crummendorf, Eisenberg, Friedersdorf, Großburg, Hussinetz,
Teil 3. Lorenzberg/ Jäschkittel, Markt-Bohrau, Nieder-Rosen, Olbendorf, Prieborn, Riegersdorf,
Teil 4. Ruppersdorf, Schönbrunn, Schreibendorf, Steinkirche, Strehlen, Türpitz.

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Geschichte des evangelischen Kirchenkreises Strehlen

Festschrift zur General-Kirchenvisitation 1928

Herausgegeben vom Kreissynodal-Vorstand Strehlen

Die Wittenbergisch Nachtigall.

Wacht auff, es nahent gen dem tag!
Ich hör singen im grünen hag
Ein wunnigliche Nachtigall,
Ir stimm durchklinget berg und tal.
Die nacht neight sich gen Occident,
Der Tag geht auff von Orient,
Die rotprünstige Morgenröt
Her durch die trüben wolken göt . . .

Hans Sachs 1523

Begrüßungsschreiben
des Generalsuperintendenten D. Zänker-Breslau

An die Evangelischen Kirchengemeinden des Kirchenkreises Strehlen.

Vom 28. April bis zum 15. Mai d. Js. denke ich im Kirchenkreise Strehlen eine Generalkirchenvisitation zu halten. Darum möchte ich allen beteiligten Gemeinden mit ihren Pfarrern und Lehrern, den Mitgliedern des Gemeindekirchenrats und den Gemeindeverordneten und allen Gemeindegliedern jung und alt einen herzlichen Gruß zurufen !

In unserer durch den bunten Wirbel von Weltanschauungen und Parteien gekennzeichneten Zeit tut es dringend not, daß alle, die zu dem alten Gott stehen, einander die Hände reichen und sich der hohen, heiligen Güter bewußt werden, die wir als Christen unser eigen nennen. Die Zeiten sind vorüber, in denen selbst Christen sich einbilden konnten, es sei genug, wenn sie ihren Christenglauben für sich hätten und für sich ihres Glaubens froh wären, ohne sich um ihre Mitmenschen zu kümmern. Wer so denkt, wer nur auf das Heil der eigenen Seele bedacht ist, der gleicht der Kohle, die man aus dem Feuer nimmt und die bald erlöschen muß, noch ehe sie ihre Brennkraft wirklich aufgezehrt hat. Ein einsames Christentum ist immer in Gefahr, seine Kraft zu verlieren und innerlich zu verkümmern. Heute gilt es, sich zusammenzuschließen, sich des Wertes der Gemeinde bewußt zu werden und das große Ganze der Kirche fest ins Auge zu fassen. Der Christenberuf ist gewiß nicht in erster Linie der Kampf. Das Evangelium ist vor allem die Botschaft des Friedens. Stehen wir aber in unserer Zeit einer fast geschlossenen Front des Unglaubens gegenüber, so dürfen wir auch den Kampf nicht scheuen, sondern müssen die heilige Pflicht empfinden, uns als Christen gegenseitig zu suchen und eine Gemeinschaft des Geistes und der Kraft zu werden, die im Vertrauen auf Gott dem Unglauben den Glauben entgegenhält und sich nicht schämt, den Glauben vor der Welt zu bekennen. Unser Herr und Heiland sagt: Wer mich bekennet vor den Menschen, den will ich auch bekennen vor meinem himmlischen Vater; wer mich auch verleugnet vor den Menschen, den will ich auch verleugnen.

Das wäre ein schöner Erfolg der Generalkirchenvisitation, wenn alle Evangelischen sich aufs neue geloben wollten, treuer als bisher für unsern teuren Glauben einzustehen, wenn uns allen die Augen geöffnet würden für den Blick in das Werden und Wachsen des Reiches Gottes auf Erden, in dem jeder einzelne seinen Beruf hat. Wir dürfen nicht nur ruhig zuschauen, wie hier und da in unserem Volk neues Leben aufblüht und Liebeswerke zum Wohle leidender Volksgenossen geschaffen werden. Wir wollen uns fragen, was gerade wir tun können, das Leben, Glauben und Lieben der Christen zu fördern. Und dann wollen wir fröhlich und tatkräftig die Hände rühren. Gott wird es an seinem Segen nicht fehlen lassen; denn dem Aufrichtigen läßt Gott es gelingen.

Ganz besonders erinnere ich an unsere Jugend. Auch sie wollen wir in den Tagen der Visitation versammeln und von ihrem Glauben zu uns reden lassen. Möchtet ihr teuren Eltern klar erkennen, daß heute alles darauf ankommt, ob unsere Jugend den Glauben der Väter aufnimmt und treu bewahrt. Unsere Jugend wird heute zwischen guten und bösen Weltanschauungen hin- und hergerissen. Uns soll es heiliger Ernst sein, ihr den Weg freizuhalten zu dem, der allein ihr Heiland ist, weil er allein ihnen Halt und Quelle der Kraft für das Leben mit seinen Stürmen und mit seinen Reizen sein kann. Die Zeiten waren die besten und fruchtbarsten in unserem Volk, in denen der Christenglaube seine Kraft in tüchtigen Männern und Prauen entfaltete. Möchten wir den Bekennern und Märtyrern auf schlesischem Boden ähnlich werden, die unserem Volk und unserer Kirche das herrliche Vorbild der Treue bis in den Tod gegeben haben !

Gott der Herr selbst mache uns stark im Glaube und in selbstlos dienender Liebe ! Er segne dazu auch unser gemeinsames Arbeiten und Feiern während der Visitation !

D. Zänker, Generalsuperintendent.

Das Evangelium im Strehlener Lande.
Der Sieg der Reformation.

Als die Morgenröte der Reformation über dem Strehlener Lande aufging, gehörte es seit fast hundert Jahren zum Fürstentum Brieg. Das war von entscheidender Bedeutung für die Entwicklung der kirchlichen Verhältnisse unserer Heimat; denn der Brieger Piastenherzog Friedrich II. (1521—1547) war einer der ersten deutschen Fürsten, die sich offen zu Luthers Lehre bekannten. Anfänglich freilich hielt er, wie er selbst eingestand, „das Evangelium für eine neue, fremde Lehre, der wir nicht gehorchen sollten"; als sich aber die Reformation als gewaltige Volksbewegung in seinen Herzogtümern auszubreiten begann, wurde er von der Wahrheit der evangelischen Verkündigung innerlich überwunden. Im Jahre 1523 gab er die Predigt des reinen Gotteswortes nach der Schrift in seinen Landen frei and trat selbst zum neuen Glauben über.

Von gegnerischer Seite wurde behauptet, er hätte diesen Schritt leichtfertig und um irdischen Vorteils willen unternommen. In einer Verteidigungsschrift legte er die wahren Beweggründe für seine Handlungsweise folgenderweise dar: „Derhalben wir in nicht kleiner Bekümmernis und Sorge standen, worin wir Recht täten und vor Gott und vor der Welt bestehen möchten: bis es unserm himmlischen Vater aus lauter Gnad und Güte also gefallen hat, daß wir auf vielfältiges Bedenken nach erhaltenem Unterricht und Erforschung der Schrift die gewaltige Irrung und Betrug und Zusatz, wodurch wir bisher vom göttlichen Worte und - rechtbeschaffenen Gottesdienste auf eigene erdachte Werk und Weise im guten Schein und falschem Trost irregeführt wurden, erkannt haben".

Ein Gegner Luthers hat den Abfall des mächtigen Fürsten von der alten Kirche mit dem Sturze eines gewaltigen Baumes verglichen, dessen Krachen man weit und breit im Lande hörte und der im Fallen viele kleine Bäume mit sich fortgerissen habe. Sicher hat das Beispiel des Herzogs manchen heimlichen Freund der neuen Lehre ermuntert, seine Überzeugung offen zu bekennen, sicher fehlte es auch nicht an leichtfertigen Geschöpfen, die um der Gunst des Fürsten willen ihren Glauben wechselten: Tatsache bleibt aber dennoch, daß die reformatorische Bewegung bei uns aus dem Volke heraus erwuchs und den zunächst widerstrebenden Fürsten dann mit sich fortriß.

Herzog Friedrich berichtet selbst, wie er von seinen Untergebenen zu weiteren Maßnahmen gegen Mängel der alten Kirche gedrängt wurde: „Indem haben uns etliche unserer Untertanen vortragen lassen, wie sie durch die evangelische Wahrheit befunden, das sie und ihre Verwandten durch ungeschickte Prediger, die auch zum Teil eines berüchtigten Lebens wären, und sonst mit viel Aufsätzen zu Verstrickung ihrer Gewissen wider Gottes Wort und Willen greiflich verführt worden, mit höchstem Ermahnen und Bitten, sie in demselben auch christlich und gnädiglich zu bedenken, ihnen Prediger zu gönnen, die eines frommen und ehrbaren Lebens wären, und die das reine lautere Wort Gottes ohne allen menschlichen Zusatz, ohne fremde Lehre und widerwärtige Opinion zu ihrer Seelen Heil und Seligkeit vortrügen, dadurch man dasjenige, so dem Worte Gottes und seiner göttlichen Ehre entgegen, christlicher und gebührlicher Weise künftig abstellen und dagegen den wahrhaftigen Gottesdienst, so in göttlichen Worten und biblischer Schrift gegründet, aufrichten möchte."

Am 10. März 1524 begann ein Franziskanermönch in der Brieger Peter-Paul-Kirche in Luthers Weise zu predigen, bald darauf fanden auch in der Nikolai- und in der Hedwigskirche evangelische Gottesdienste durch ehemals katholische geistliche und Mönche statt. Der Franziskanermönch Johann Tropper wurde Neujahr 1525 als erster evangelischer Prediger in Brieg angestellt, im folgenden Jahre heiratete er eine Nonne des Strehlener Klosters. Auch der Brieger Johanniter-Komtur Wolfgang Heinrich führte um dieselbe Zeit eine Strehlener Klarisse aus dem alten Geschlecht der Pogarell als Gattin heim. Diese beiden Hochzeiten Strehlener Ordensschwestern sind die ersten uns überlieferten Zeugnisse für den Einzug der Reformation in unserer engeren Heimat.

Wie anderwärts wandte sich auch im Strehlener Lande allmählich fast die Gesamtheit der katholischen Geistlichkeit der neuen Lehre zu. Ein katholischer Brauch nach dem andern verschwand aus dem Gottesdienste, der Marienkult trat zurück, das Sprengen mit Weihwasser unterblieb, an Stelle der lateinischen trat die deutsche Messe.

Die dadurch geschaffenen neuen Verhältnisse fanden ihre einheitliche Regelung für das gesamte Herzogtum im Herbst 1534 auf der Synode zu Brieg. Am 15. September d. J. versammelte hier der Herzog sämtliche Geistlichen aus den Weichbilden Brieg, Ohlau, Nimptsch und Strehlen und forderte sie zu einem gemeinsamen Bekenntnis zur Augsburgischen Konfession auf. Die äußere Veranlassung dazu boten die Gefahren, die der neuen Lehre durch die „Schwarmgeister" drohten, denen Luthers Reformation der Kirche nicht gründlich genug erschien. Nach einer Überlieferung besaßen in Strehlener die Wiedertäufer viele Anhänger, ihnen soll sich vorübergehend auch ein Strehlener Geistlicher, Franziskus Rosentritt, angeschlossen haben. Die überwältigende Mehrzahl der in Brieg versammelten Geistlichen kam der Aufforderung des Herzogs nach und bekannte sich zu Luthers Lehre. Das Brieger Herzogtum, und damit auch das Strehlener Land, war evangelisch geworden. Nur an zwei Orten, in Strehlen und Steinkirche, wirkten auch ferner noch katholische Geistliche. Aber bereits am Lätaresonntag 1535 wurde auch in Strehlen das Evangelium von der Kanzel aus verkündigt, während sich in Steinkirche die Predigt der alten Lehre bis zum Tode des letzten katholischen Pfarrers im Jahre 1551 erhielt.

Die Synode zu Strehlen.

Mit heiligem Ernst bemühten sich unsere Vorfahren um die Reinerhaltung der Lehre Luthers. „Des Herrn Wort bleibet in Ewigkeit", so lautete nunmehr die Inschrift auf den Münzen des Herzogtums, die vor der Reformationszeit das Bildnis der heiligen Hedwig als Sinnbild des mittelalterlichen Kirchentums trugen. Die gleiche Inschrift erhielt auch die 1535 gegossene Glocke der Olbendorfer Kirche. „Erhalte uns Herr bei Deinem Wort", das war der Hauptinhalt der evangelischen Predigten um die Mitte des 16. Jahrhunderts.

Man dachte dabei freilich weniger an die Gefahren, die Luthers Kirche erneut von Rom her drohten, als vielmehr an die Zwistigkeiten und Wirrnisse in den eigenen Reihen. Immer noch trieben Wiedertäufer und Schwenkfelder in den Gemeinden ihr Unwesen, und auch die Lehre des Schweizer Reformators Calvin gewann Anhänger. Heidenreich der Rektor des Brieger Gymnasiums, behauptete: „Christus nach seiner menschlichen Natur," ist an einem gewissen Orte des Himmels räumlich eingeschlossen, seine leibliche Gegenwart beim heiligen Abendmahl müßte darum bezweifelt werden". Er fand in der Strehlener evangelischen Geistlichkeit scharfe Gegner.

Um all diesen Lehrstreitigkeiten ein Ende zu machen, berief der Herzog Georg II. (1547—1586) im Januar 1573 eine Synode der Geistlichen des Brieger Herzogtums nach Strehlen. Hier wirkte Hieronymus Rosäus als Senior der Weichbilder Nimptsch und Strehlen, ein strenger Anhänger und Verteidiger des reinen Evangeliums, der in Wittenberg zu den Füßen Luthers, Melanchthons und Bugenhagens gesessen hatte. Er leitete die Verhandlungen, die über folgende Hauptpunkte Einigkeit erzielten:

Das heilige Abendmahl soll „laut der Einsetzung und vermöge seiner allmächtigen wahrhaften Worte schlicht und einfältig, ohne Einführung- anderer Glossen und Deutungen gebraucht und verstanden werden; zu verwerfen sind darum alle vorwitzigen Fragen, wie solches möglich, weil die Kraft des heiligen Sakraments nicht aus menschlichen Spekulationen, sondern bloß aus dem Worte des Herrn Christi muß genommen werden".

„Soviel aber die Person des Herrn Christi betrifft,... mögen wir christlich und recht sagen, daß der ganze Christus, Gott und Mensch, solch großes Werk (der Erlösung) ausgerichtet habe". Er ist als eine „unzertrennliche Person" im Nachtmahl anwesend.

Von der Himmelfahrt Christi „bezeugt die Schrift gewaltig, daß er nicht dermaßen aufgefahren sei, damit er an einem gewissen Orte gleich angebunden sitze, sondern, daß er nun habe eine allmächtige Regierung, die alles in allem wirket. Derohalben ist und bleibt er bei uns bis ans Ende der Welt, und wo zwei oder drei in seinem Namen versammelt sind, so ist er in der Mitte. So verstehen und glauben wir auch diese Sprüche von dem ganzen Christus".

Herzog Georg konnte mit Genugtuung feststellen: „So haben wir allen möglichen Fleiß angewendet, mancherlei irrigem Wahne zuvorzukommen, damit dergleichen unnötige Neuerung bei unsern Kirchen und Schulen vermieden werde, haben auch dem lieben Gott, der seine Gnade und Segen hierzu verliehen, höchlich zu danken, daß er unsern angewandten Fleiß nicht ohne Frucht hat lassen abgehen, uns auch Prediger und Lehrer verliehen, so den Frieden und die Wahrheit lieben und dem Ärgernis Abbruch zu tun sich befließen". Sein Wunsch freilich, daß „hiermit alles unnötige Gezänck und Widerwillen endlich abgeschafft" sein mögen, ging nicht sobald in Erfüllung. Bereits Ostern 1574 sehen sich 26 Geistliche des Strehlener und Nimptscher Weichbildes auf der Synode zu Heidersdorf wieder veranlaßt, gegen allerlei „Ketzer" Stellung zu nehmen und sich erneut zu den Beschlüssen der Synode zu Strehlen zu bekennen. Den Vorsitz führte wiederum der Senior des Strehlener und Nimptscher Kirchenkreises Hieronymus Rosäus. Im Dezember des Jahres 1574 war die gesamte evangelische Geistlichkeit des Herzogtums zu einer Religionssynode in Brieg versammelt, und abermals wurde der „Abschied von Strehlen" „von Wort zu Wort" „fest und unverbrüchlich" erklärt.

Auf der Synode zu Strehlen war auf Grund des reinen Evangeliums Luthers eine Lehr- und Glaubensnorm für alle Gemeinden des Herzogtums festgelegt worden, ihre Beschlüsse bildeten eine Schutzwehr gegen alle Irrlehren und Zersplitterungen und trugen zur inneren Festigung der jungen Kirche bei. So wurde sie befähigt, in der bald einsetzenden Gegenreformation ein mächtiges Bollwerk gegen die Anstürme des wieder erstarkten Katholizismus zu werden.

Die Zeit der Gegenreformation.

St. Gotthardkirche und St. Michaelkirche in Strehlen So lange die mächtige Hand der Brieger Piastenherzöge unsere Heimatkirche schirmte, blieben alle Versuche des Kaisers, Schlesien katholisch zu machen, im Strehlener Lande erfolglos. Als aber im Jahre 1675 Georg Wilhelm, der letzte Piast, gestorben war und der Kaiser sein Erbe antrat, begann auch bei uns für die Evangelischen eine Zeit schwerster Glaubensnot und Gewissensbedrängnis. Sie wurden gezwungen, die katholischen Feste mitzufeiern; evangelische Waisen erhielten katholische Vormünder, und gemischte Ehen durften nur gegen das Versprechen katholischer Kindererziehung geschlossen werden.

Am schwersten traf die Gemeinden der Befehl des Kaisers, daß freie Pfarrstellen nicht mehr mit evangelischen Predigern besetzt werden dürften. Nicht weniger als 56 Kirchen wurden damals im Brieger Fürstentum der evangelischen Glaubensübung entzogen. In Strehlen mußte 1698 die St Gotthardkirche, 1706 auch das St. Barbarakirchlein vor dem Breslauer Tore den Katholischen abgetreten werden. Von 1685—1707 besaß die große Kirchgemeinde nur einen einzigen evangelischen Geistlichen, den Diakonus Löwe, da seine beiden Amtsgenossen gestorben waren und ihre Stellen nicht besetzt werden durften.

Die Olbendorfer hatten 1688 ihren Pastor Hartmann durch den Tod verloren und beriefen an dessen Stelle David Gottfried Schwertner, vorher Hofmeister in Dobergast. Am 16. Mai (Cantate-sonntag) hielt er seine Anzugspredigt, aber schon am Donnerstag darauf überfielen bewaffnete katholische Bürger aus Grottkau, begleitet von kaiserlichen Kommissaren, Olbendorf und besetzten die Kirche. Schwertner mußte sein Heil in eiliger Flucht suchen.

Im Jahre 1689 wurde die Riegersdorfer Kirche geschlossen und versiegelt. Die treuen Gemeindeglieder bewachten sie 17 3/4 Jahre lang Tag und Nacht und verhinderten so ihre Einweihung zum katholischen Gottesdienst. Steinkirche erhielt 1698 den Pater Schneider als römischen Priester; im nächsten Jahre wurde die Kirche zu Eisenberg zum katholischen Gottesdienste geweiht.

In die Prieborner Kirche zog am 1. Februar 1690 „nach einiger Widersetzung der hiesigen Weiber" ein katholischer Pfarrer ein. In der Nacht zum 4. August 1699 bemächtigten sich kaiserliche Truppen, ein Leutnant mit 100 Mann Infanterie, gewaltsam der den Katholischen zugewiesenen Crummendorfer Kirche, die tagelang von evangelischen Angehörigen des Kirchspiels besetzt gehalten worden war, um den katholischen Gottesdienst zu verhindern.

Arnsdorf war es 1697 geglückt, die freigewordene Pfarrstelle mit einem evangelischen Prediger, Gottlieb Burckhard aus Prauß, zu besetzen, aber auf Befehl des Oberamtes mußte er um Weihnachten l 703 mit seiner kranken Frau das Pfarrhaus räumen und mitten im Winter das Dorf verlassen. Großburg , das zu Brandenburg gehörte, verdankt es allein dem unmittelbaren Eingreifen des großen Kurfürsten daß es von der Gegenreformation verschont blieb. Die Kirche zu Markt-Bohrau, außerhalb des Herzogtums gelegen, war schon 1653 katholisch geworden und ist es geblieben. Friedrich der Große erst erlaubte der evangelischen Gemeinde wieder den Bau eines eigenen Gotteshauses.

Die Gewaltmaßnahmen des Kaisers hatten in den Dörfern des Strehlener Gebietes nur recht geringen Erfolg. Wo katholischen Gottesdienste eingerichtet wurden, mußten die kirchlichen Handlungen vor fast leeren Bänken vorgenommen werden, wenn nicht katholische Grundherren ihre Untertanen zum Kirchgang veranlaßten. Die Evangelischen besuchten um so fleißiger die Nachbarkirche ihres Glaubens und hielten mit unwandelbarer Treue am Bekenntnis ihrer Väter fest. Auf Grund des Vertrages von Altranstädt erhielten sie 1707 ihre verlorenen Kirchen wieder zurückgekehrt.

Um so bedeutender waren die Erfolge der Gegenreformation in Strehlen. Die bisher fast ganz evangelische Stadt erhielt in den Jahren der kaiserlichen Regierung eine ansehnliche katholische Minderheit. Zum beträchtlichen Teile setzte sie sich aus Zugewanderten zusammen, doch fehlte es auch nicht an Übertritten Einheimischer. Zu den ersten, die ihren Glauben wechselten, gehörte der Ratsherr Gottfried Buckisch, der 1676 katholisch und bald darauf Regierungssekretär in Brieg wurde, wo er, begünstigt durch die Jesuiten die sieben starken Foliobande seiner berühmten „Religionsakten" schrieb. Die Übertritte häuften sich, nachdem die Augustinermönche 1698 in Strehlen sich niedergelassen hatten. Über ihre Wirksamkeit im Dienste der Gegenreformation besitzen wir eine wichtige Urkunde. Sie ist 1701 von dem kath. Ratssenior Stummenberg in dem Turmknauf der evangelischen St. Michaelkirche niedergelegt worden und lautet im Auszug:

„Unsere wohlwollende Nachwelt wolle bedenken, daß damals, als die Augustiner einzogen (1698), außer dem edelmütige Bürgermeister des Ortes, dem gelehrten Herrn Gottfried Joseph Bölicht, dem verdienten Syndikus des königlichen Hofgerichts, und mir, Franz Stummenberg, Senior des Magistrates, Vorseher des Waisenamtes und Beisitzer des königlichen Hofgerichts, und Herrn Georg Antonius Merkel, Senator und Stadthauptmann, und wenigen, kaum fünf Bürgern, kein Katholik in der Stadt gewohnt hat ... Durch jene apostolischen Männer (die Augustiner) begann das Licht des wahren orthodoxen Glaubens nach des Irrtums langer Finsternis aufs neue zu leuchten, und nicht wenige von der ketzerischen Finsternis bis anhero bedeckte Seelen sind zum wahren Glauben zurückgekehrt. . . Wir wenigen, die wir, durch die Gnade Gottes im Lichte des wahren, rechten Glaubens wandelnd, die Schlüssel dieser Stadt bewahren, setzen unsere ganze Hoffnung und Vertrauen auf ihn, der in der Höhe wohnt und das Niedere beachtet, und auf sie, welche alle Geschlechter die heilige jungfräuliche Mutter Gottes nennen, die glorreiche Schützerin der römisch-katholischen Kirche, und auf den Patron hiesiger Kirche, den Erzengel Michael, endlich auch auf alle Auserwählten Gottes, indem wir durch sie die göttliche Vorsehung demütigst anflehen, daß unsere Nachkommen die süßen Früchte der Glaubenseinheit, deren Keime wir flehend und in Frieden ausgestreut haben, in einem Schafstall und unter einem Hirten verkosten mögen."

Das Evangelium im Strehlener Lande war aufs schwerste bedroht, aber Gott ließ es nicht untergehen. Der Schwedenkönig Karl XII. und dann später Friedrich der Große wurden seine Retter.

Obgleich nach unserer Urkunde 1698 nur 8 katholische Bürger in Strehlen vorhanden waren, gingen doch bald alle städtischen und staatlichen Ämter mit Osterreichs Hilfe in katholische Hände über. Kein Wunder, daß auch Männer an leitende Stellen kamen, die des Schreibens kaum kundig waren und das Gemeinwohl nicht zu wahren verstanden. Das war ein schwerer politischer Fehler der kaiserlichen Regierung, der sich bei der Besitzergreifung Schlesiens durch Friedrich den Großen rächte. Auch im Strehlener Lande jubelte man nach der österreichischen Mißwirtschaft dem Preußenkönige ohne Unterschied der Konfession zu. Von ihm erhofften die Evangelischen vor allem die Befreiung von drückendem Gewissenszwang, Katholische wie Evangelische aber erwarteten unter seiner Regierung die Gleichberechtigung der christlichen Bekenntnisse.

Unter preußischer Herrschaft.

„In meinem Lande kann jeder nach seiner Fasson selig werden". Diesem seinem Ausspruch gemäß regierte auch der große König, freilich nicht in dem Sinne, daß er daß er der Religionslosigkeit Tor und Tür öffnete. Im Gegenteil: Auf Befehl des Königs wurde am 16. November 1743 von den Kanzeln verkündet, daß in den Pfarrkirchen regelmäßig Kinderlehren zu halten sind, daß unter der Mittagspredigt niemand Gäste setzen oder andere Hantierung treiben darf, daß die säumigen Kirchgänger bestraft und durch obrigkeitlichen Zwang zur Kommunion angehalten werden sollen.

Was Friedrich der Große mit jenem Ausspruch meinte, erfuhren die Strehlener, als sie von ihn die Absetzung des katholischen Kretschmerobermeisters Zimbeli verlangten : „Seine Majestät ist nicht gesonnen, jemanden, ob katholisch oder evangelisch, absetzen zu lassen" wurde ihnen als Bescheid mitgeteilt. Der König erkannte den Evangelischen und Katholischen völlige Gleichberechtigung zu.

Kein Gotteshaus, kein Kloster wurde den katholischen wieder abgefordert. Auch die Augustiner behielten unbehelligt das Strehlener Kloster, es blieb ihnen unverwehrt, ihre engen Beziehungen zum Wiener Mutterkloster zu pflegen, bis 1789 ihr Verbindung mit Wien von österreichischer Seite aufgehoben wurde. Sie haben dafür ihrer königstreuen Gesinnung unumwunden Ausdrück gegeben. Die neue Religionsfreiheit erhielten ausdrücklich auch die Reformierten zugesichert. So förderte Friedrich die Entstehung der böhmisch-reformierten Gemeinden Hussinetz 1749 und überwies ihr die Marienkirche in der Strehlener Altstadt zur freien und ungehinderten Religionsübung. Daß die Duldsamkeit des Königs nach dem langen Glaubenszwang unter österreichischer Herrschaft von den Lutherischen nicht minder dankbar empfunden wurde, bedarf kaum der Erwähnung. Mit Unterstützung des Königs erstand in Strehlen der Neubau der St. Michaelkirche, und noch unter seiner Regierung wurden die Vorarbeiten für die Errichtung der evangelischen Kirche in Markt-Bohrau abgeschlossen.

Unter Friedrichs des Großen Nachfolgern konnte sich unsere Heimatkirche einer weiteren friedlichen Entwickelung in uneingeschränkter Glaubensfreiheit erfreuen. Das Wiedererwachen des religiösen Lebens in den Notjahren der Franzosenzeit, während und nach den Befreiungskriegen fand bei uns durch Oberkonsistorialrat Jany, der von 1784 bis 1831 als erster Geistlicher Strehlens und Senior des Kirchenkreises wirkte, verständnisvolle Förderung. Die Feier des Reformationsjubelfestes am 31. Oktober 1817 legte Zeugnis ab von dem Erstarken des evangelischen Bewußtsein und begünstigte die Union der Lutherischen und Reformierten zu einer neubelebten evangelisch-christlichen Kirche. Diese in der Hauptsache organisatorische Maßnahme durch welche die Verschiedenheiten einzelner Lehrpunkte überbrückt wurden, ermöglichte der evangelisch-reformierten Gemeinde Hussinetz einen Eintritt in die Landeskirche, führte aber in der Folgezeit auch zur Bildung einer selbständigen altlutherische Kirchengemeinde in Strehlen. Sie erbaute sich in der Altstadt ein eigenes Gotteshaus, das 1861 eingeweiht wurde.

Ein Zeuge des Wiederauflebens des religiösen Geistes in der ersten Hälfte des vorigen Jahrhunderts ist der Strehlener Missionshilfsverein, der am 26. Juni 1825 von acht schlichten Männern aus dem Volke im Bärzdorfer Schulhause gegründet wurde. Uhrmachermeister Johann Buresch, Stehlen, war sein erster Leiter. Vor drei Jahren konnte der Verein das Fest seines hundertjährigen Bestehens feiern. Es ist der älteste Verein Schlesiens zur Förderung der Heidenmission. Anfangs fand er wenig Unterstützung, aber die „Stillen im Lande" hielten treu zu ihm. Seit 1852 veranstaltete er regelmäßig Missionsfeste. Führender Männer der Heidenmission gingen aus ihm hervor, so der Missionssuperintendent Grützner, der Sohn einen Strehlener Seilermeisters. Auch die Wiege des Schlesischen Provinzialvereins der Berliner Missionsgesellschaft stand im Strehlener Kreise, seine Gründung erfolgte in Großburg.

Nicht minder segensreich wirkte seit 1875 der Strehlener Kreisverein für Innere Mission, der nach den Satzungen von 1893 den Zweck verfolgt, „den religiös-sittlichen, aber auch den materiellen Notständen im Kreise Strehlen zu steuern, die Zwecke der Inneren Mission zu fördern und wahre Gottesfurcht und lebendiges Christentum zu betätigen". Sein Hauptwerk ist die Gründung und Unterhaltung der „Herberge zur Heimat" in Strehlen. Ein weiteres Liebeswerk, das vom Kirchenkreise getragen wird, ist seit 1905 die Synodaldiakonie, die im Strehlener Altersheim ihren Mittelpunkt hat und in den verschiedenen Gemeinden des Kreises arbeitet.

Einblicke in das innere Leben unserer Gemeinden gestattet uns auch der Bericht über die Generalkirchenvisitationen des Kirchenkreises im Jahre 1883. Er bezeugt die „immer kräftigere Erfahrung der seligmachenden und heiligenden Kraft des göttlichen Wortes" durch seine Verkündigung in Kirche, Schule und Haus, weist aber auch bereits auf Schäden und Mängel hin, die sich in das christliche Gemeindeleben einzuschleichen begannen. „Der von den Vätern ererbte heilsame Gebrauch, das im Gottesdienste gehörte Wort im Hause weiter zu verwerten unter Benutzung bewährter Erbauungsbücher, sonntägliche Hausandacht und täglichen Morgen- und Abendsegen mit Lesung eines Abschnittes aus der heiligen Schrift zu halten, ist bei der Visitation vielfach mit der Ermahnung, ihn festzuhalten oder wiederherzustellen besprochen worden". „Der Stand der Sonntagsheiligung ist in mehreren Gemeinden nicht als ein befriedigender befunden worden". „Angesichts der Verbreitung schlechter und verderblicher Presseerzeugnisse läßt der Stand der christlichenVolksbibliotheken in den meisten Parochien noch sehr viel zu wünschen übrig". „Die kirchliche Armenpflege bedarf in den meisten Parochien einer geordneten Durchführung und Ausübung". „Mit wenigen Ausnahmen ist die Teilnahme der konfirmierten Jugend an den für sie kirchlich verordneten Unterredungen eine geringe". „Es ist darauf zu wirken, daß die jungen Leute von der Teilnahme an Tanzlustbarkeiten tunlichst zurückgehalten werden, da die sittlich verderblichen Folgen solcher Teilnahme zu Tage liegen".

Fast ein halbes Jahrhundert ist seit der letzten Generalkirchenvisitation vergangen. Das gewaltige Erlebnis des Weltkrieges erschütterte die Seelen im Innersten, und unsere Gotteshäuser waren überfüllt von Gläubigen, die Trost und Kraft im göttlichen Worte suchten. Der unglückliche Ausgang des Krieges und seine traurigen Folgeerscheinungen rüttelten an den Grundfesten unseres Kirchenwesens, ohne sie jedoch erschüttern zu können. Die folgenden Blätter bezeugen, wie überall in unserm Kirchenkreise neues Leben emporstrebt. Manche alten Schäden machen sich zwar in verstärktem Maße geltend, aber vereinte Kräfte sind am Werke im Geiste des Evangeliums die Nöte der Gegenwart zu lindern und den Gefahren der neuzeitlichen Entwicklung zu begegnen. Der evangelische Kreiswohlfahrtsdienst nimmt sich der Mühseligen und Beladenen, der Verirrten und Angefochtenen in christlicher Liebe an die evangelische Jugendpflege ist in hoffnungsfrohem Ausbau begriffen, und das christliche Schrifttum gewinnt immer mehr all Ausbreitung und Einfluß in unseren Familien. In Kirche, Schule und Haus hat sich die Kraft des Evangeliums trotz aller Anfechtungen behauptet und bewährt, das evangelische Bewußtsein ist mächtig erstarkt, und wir leben der gewissen Zuversicht, daß auch die kommenden Geschlechter das Erbe der Väter bewahre werden.

„Gottes Wort und Luthers Lehr
vergehen nun und nimmermehr."

E. Günther, Strehlen.

Der Erzengel Michael im Strehlener Stadtwappen von 1344

Das Gemeinschaftsfest auf dem Rummelsberge.

Von Lic. Dr. Ulrich Bunzel, Breslau.

Wenn von dem kirchlichen Leben des Kreises gesprochen wird, darf das Gemeinschaftsfest auf dem Rummelsberg nicht vergessen werden. Mit Recht nennt Lic: Hellmut Eberlein in seinem Büchlein „Die schlesische Kirchgeschichte, Teil II, Filmdienst Dresden" den Rummelsberg einen „evangelischen Wallfahrtsort", auf dem seit Jahrzehnten Mittwoch nach Trinitatis viele hundert, oft über tausend Christen zu einem (Volks-)Missionsfest zusammenströmen.

Das erste „Gemeinschaftsfest der Diasporabrüder der Gnadenfreier Brüdergemeine" fand am 29. 5. 1866 statt. Anläßlich der Wiederkehr des Festes am 4. 6. 1890 erzählt der Berichterstatter des „Patriotischen Wochenblattes" aus Gnadenfrei, von einem Mitglied der Brüdergemeine herausgegeben: „Auf der südwestlichen Seite des Berges war unter einer mächtigen alten Eiche eine weißgedeckte, mit grünen Gewinden geschmückte Kanzel errichtet, auf welcher nach Gesang und Gebet Prediger Wunderling aus Gnadenfrei über 1. Joh. 2, 2 die Predigt hielt. Nachmittags um 9 Uhr erfolgte die Fortsetzung der Feier, in welcher Prediger Wunderling über 2. Sam. 7, 21 sprach. Darauf wurde der auf dem Gipfel des Berges stehende Aussichtsturm bestiegen. Es war gerade die Zeit des Ausbruchs des Krieges mit Österreich. Die Versammelten überblickten mit Wehmut die sich hier vor den Augen ausbreitenden gesegneten Felder und Fluren in dem Gedanken Wie, wenn es Gott zuließe, daß dieselben von Rossen feindlicher Scharen zertreten und rings umher Elend und Jammer verbreitet würde? Br. Wunderling hielt ein herzinniges Gebet, in welchem er den Herrn der Heerscharen bat, daß er die Greuel eines verheerenden Krieges von unserem Vaterlande abwenden möge, uns aber auch, wenn er nach seinem heiligen Rat und Willen eine schwere Heimsuchung nicht erlassen könne doch die Herzen mit festem, freudigem Mut erfüllen und die Trübsal zum Segen gereichen lassen volle. Erhoben und von Glaubenszuversicht sangen hierauf die Versammelten: "Der Herr ist noch und immer nicht von seinem Volk geschieden." Darauf ging es in langem Zuge vom Berge herab unter dem Gesang "Jesu, geh voran", und nach verschiedenen Richtungen trennte man sich von der lieblichen Stelle. Einander Mal heißt es in dem Zeitungsbericht: „Die meisten Gäste gingen mit Gesang vom Berge hinab, bildeten unten bei einer Eiche einen Kreis, sangen "Die wir uns allhier beisammen finden," reichten sich am Kreuzweg die Hände, sagten "Auf Wiedersehen!" und gingen auseinander.

So erhielt das Fest zunächst den Charakter eines evangelischen Gelöbnistage, an dem sich jahraus, jahrein (an dem seit Jahrzehnten festgesetzten Tage, Mittwoch nach Trinitatis) alte und neue Freunde auf der Höhe des Berges versammeln. Der heutige Brauch, daß eine große Anzahl von Predigten oder Evangelisationsansprachen (gewöhnlich acht) gehalten werden, ist nicht neu. Schon 1866 werden 12 Redner genannt, die teils der Landeskirche, teils der Brüdergemeine angehörten. In früheren Jahren meldeten sich gelegentlich während des Festes soviel neue Laien-Redner, daß die vorgesehene gar nicht zu Worte kommen konnten. Zwischen den einzelnen Ansprachen werden oft unter Posaunenbegleitung des Strehlener Gemeinschaftschors oder des Crummendorfer Kirchenchors Lieder gesungen. In früheren Zeiten wurde das Fest durch eine Liturgie mit gemeinsam gesprochenen Glaubensbekenntnis, heute durch gemeinsamen Gesang und Gebet eröffnet. Durch die Mitarbeit der Geistlichen der evangel. Landeskirche, die in dem ersten Jahrzehnt nicht beteiligt war, wurde das Fest von sektiererischem Fahrwasser, in das es eine Zeit zu verfallen drohte, ferngehalten. Seit einem Menschenalter leitet abwechselnd ein Bruder aus Gnadenfrei und der Superintendent des Kirchenkreises Strehlen. D. Eberlein lud von seinem bewußt kirchlichen Sinn aus nicht die "Freunde christlicher Gemeinschaft", wie es bis dahin hieß, sondern die Freunde "kirchlicher" Gemeinschaft ein.

In eigenartiger Weise erzählen die Berichte fast stets von herrlichstem Wetter. Wir dürfen Gott für diese gütige Zustimmung zu unserem Feste besonder dankbar sein.

Of wird in den Berichten von der ökumenischen (die ganze Kirche umspannenden) Bedeutung des Festes gesprochen. Ökumenisch im Blick auf die Teilnehmer: „Evang. Landeskirche, Reformierte, Altlutheraner, Brüdergemeine, Englische Kirche, Katholische Kirche, alle eins in der Gemeinschaft mit ihrem Herrn und Haupt, waren hier versammelt", heißt es 1885. Ökumenisch im Blick auf die Behandelten Themen. Die Heiden- und Judenmission. Evangelischer Bund und Gustav-Adolf-Verein, Los -von-Rom-Bewegung und kirchliche Lage in Böhmen, Wichern und die Berliner Stadtmission und andere hier verhandelte Fragen der Reichs-Gottes-Arbeit zeugen von der Blickweite des Festes. Naturgemäß überwiegen allgemein evangelisatorische Ansprachen. Ökumenisch auch im Blick auf die Redner. So lesen wir im Zeitungsbericht von 1902: „Redner verschiedener Kirchen und Nationalitäten, aber eins im Geiste, in der Freude am Herrn und der Liebe zu seinem Reiche: Pastor Ebeling—Strehlen, Pastor Horn—Prieborn, Pastor Schmidt, Reiseprediger des schlesischen Provinzialvereins für Innere Mission. Die Reformierte Kirche war vertreten durch Hofprediger Gladischefski aus Breslau. Ein Walddenser, Theofilo Gay, überbrachte blumige italienische, aber auch warme, herzliche, brüderliche Grüße seiner Glaubensgenossen. Br. Theophilus Reichel aus Pottenstein (Böhmen) hielt eine böhmische Ansprache an die vielen böhmischen Anwesenden. Dadurch bekam das Fest einen ökumenischen Charakter." Ein ander Mal stand „ein echter Sohn Hams, ein Buschneger aus Suriname", der in Gnadenfrei zu Besuch weilte, auf der Kanzel des Rummelsberges. Auch voriges Jahr grüßte ein Laienbruder die Böhmischen Brüder in ihrer tschechischen Muttersprache.

Ökumenisch! Weltumspannend! Wer wird nicht, da oben auf dem Berge, wenn sie zusammenströmen, die Geschwister und Freunde, erinnert an Jesu Wort: es werden kommen von Morgen und von Abend, von Mitternacht und Mittag, die zu Tische sitzen werden im Reiche Gottes. Obwohl eine so große Zahl von Christen zu diesem Fest zusammenkommt, trägt es doch einen ungewöhnlich familiären Charakter, von dem die Berichte immer wieder erzählen. „Herzliches Begrüßen alter und neuer Bekannter auf dem Wege zum Berge und der Anhöhe unter dem hochgewölbten Blätterdom. Von dem familiären Charakter des Gemeinschaftsfestes wird auch heute noch jeder angeheimelt, der daran teilnimmt. Wie treu hunderte zu diesem Fest stehen, ergab eine Umfrage, die Superintendent Lehmann beim 60. Fest veranstaltete. Nur sehr wenige waren das erste Mal zu diesem Fest erschienen. Mehr schon standen auf, als gefragt wurde, wer schon zwei-, drei-, vier- oder fünfmal zu diesem Fest gekommen sei. Eine sehr große Zahl erhob sich, die schon zehn-, zwanzig-, gar dreißigmal gekommen waren. Einer war mehr als fünfzigmal heraufgestiegen, eine andere Teilnehmerin aus Breslau vor 58 Jahren das erste Mal dabei gewesen, eine dritte die letzten dreißig Jahre regelmäßig hierher, gekommen.

So ist das Rummelsbergfest ein religiöses Volksfest, ein Kirchenfest im besten Sinne des Wortes von Anfang an gewesen, unternommen von ihren lebendigen Gliedern. Als solches lieben wir es und möchten, so Gott will, weiter daran teilnehmen.


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