Genealogie und Geschichteim Großraum
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NadlerIn Aachen, Burtscheid und Umland war neben der Tuchherstellung vor allem die Herstellung von Nähnadeln einer der Haupterwerbszweige seit alters her. Die Arbeit bestand aus vielen verschiedenen Arbeitsgängen vom Draht bis zur fertigen Nadel. Der gesundheitsgefährdenste Teil dieser Arbeit war das Schleifen der Nadeln. Diese wurden trocken geschliffen und zwar auf sich drehenden Sandsteinen. Dabei entstand feiner Steinstaub, der die Lunge extrem belastete, die Staublunge verursachte, und bei den Nadelschleifern in aller Regel zum frühen Tod durch die "Schleiferkrankheit", die Silikose, führte. Die Krankheit war nicht nur auf die Nadelschleifer begrenzt, sondern überall dort verbreitet, wo mit Hilfe von Sandsteinen Metall trocken bearbeitet/geschliffen wurde. So auch vor allem in Solingen oder auch in England in Sheffield. Die Schleiferkrankheit "Bei weitem die ungesundeste Arbeit ist aber das Schleifen der Klingen und Gabeln, das, besonders wenn es auf trocknen Steinen geschieht, unfehlbar einen frühen Tod nach sich zieht. Die Ungesundheit dieser Arbeit liegt teils in der gebückten Stellung, bei der die Brust und der Magen gedrückt wird, besonders aber in der Menge scharfkantigen, metallischen Staubes, der beim Schleifen abspringt, die Atmosphäre füllt und notwendig eingeatmet wird. Die Trockenschleifer werden durchschnittlich kaum 35, die Nassschleifer selten über 45 Jahre alt. aus: Friedrich Engels, Die Lage der arbeitenden Klasse in England - nach eigner Anschauung und authentischen Quellen, Leipzig 1845. Das Nadelgewerbe [in Aachen] Fließender als im Tuchgewerbe gestaltete sich der Übergang zur Industrialisierung im Nadelgewerbe. Bereits Mitte des 18. Jahrhunderts entwickelte sich hier ein ausgeprägtes Verlagssystem: Zahlreiche Rauhwirker fertigten auf dem Land die Nadelrohlinge für den in der Stadt lebenden Verleger. Dieser stellte den Rohstoff (Stahldraht oder verstahltes Messing aus Altena oder dem Siegerbergland) und ließ die fertigen Rohlinge in Scheuermühlen schleifen und polieren. Als Schönwirker übernahm er mit seinen Gesellen und Lehrlingen das Sortieren, Bläuen und Einbriefen und sorgte schließlich für den Verkauf der Ware. Verlegern wie dem 'Großunternehmer Kornelius Chorus gelang es so bereits im 18. Jahrhundert, die engen Zunftschranken zu durchbrechen. Begünstigt wurde dieser Prozeß durch die im Nadelgewerbe ungewöhnlich früh einsetzende Arbeitsteilung: etwa 70 mal wechselte ein Stück Draht die Hand, ehe aus ihm eine fertige Nadel entstand. Das Verlagswesen bestimmt die Nadelproduktion bis in die Mitte des 19. Jahrhunderts. Trotz fortschreitender Industrialisierung im Tuchgewerbe blieb das Schleifen und Polieren in den mit Wasserkraft betriebenen Scheuermühlen vorerst der einzige mechanische Arbeitsgang. Selbst die in den 30er Jahren eingeführten Maschinen zum Stanzen und Prägen der Öhre sowie zum Einbriefen der Nadeln wurden zunächst manuell betrieben. Die Große Zahl an Arbeitskräften rekrutierte sich zu einem beträchtlichen Teil aus schlecht bezahlten Landbewohnern und Kindern. so blieb die vorindustrielle Arbeitsweise für den Verleger noch lange Zeit ein lohnendes Geschäft. Auch das Nadelgewerbe blühte auf in den Jahren französischer Herrschaft. Trotz kurzer Einbrüche setzte sich diese Entwicklung auch nach 1815 fort. In den 20er Jahren galt die Aachener Region als wichtigstes Nadelzentrum Deutschlands. So war es ein Burtscheider, der Tuch- und Nadelfabrikant Ph. H. Pastor, der 1831 mit der Entwicklung einer Schutzvorrichtung für Nähnadelschleifer (exhaustor) europaweit für Aufsehen sorgte. In einer Veröffentlichung des 'Vereins zur Beförderung des Gewerbefleißes in Preußen' von 1832 heißt es hierzu: "Einen der Gesundheit der Nähnadel-Schleifarbeiter höchst nachteiligen Einfluß übt das Einathmen des feinen beim Schleifen entstehenden Stahl- und Steinstaubs aus, er ist so bedeutend, daß die meisten derselben schon nach wenigen Jahren zu kränkeln anfangen und einem frühzeitigen Tod unterliegen. [...] Es sind schon manche Versuche von Fabrikanten des In- und Auslands gemacht worden, diesem Uebelstand zu begegnen, [...]. Unserem sehr geehrten Mitglied, dem Herrn Philipp Heinrich Pastor [...] ist es endlich [...] durch beharrlichen Fleiß gelungen, einen Apparat herzustellen, der nach mehrmaliger Anwendung in seiner Fabrik sich vollkommen bewährt hat." Tatsächlich erfreute sich die Maschine eines großen Anklangs nicht nur
unter Aachener Fabrikanten. Vorausschauend heißt es deshalb in erwähntem
Artikel weiter: Zu heftigen Arbeitskämpfen kam es bei der Einführung des exhaustors 1844 in England. Trotz der erheblichen gesundheitlichen Vorteile befürchteten die Nadelschleifer den Abzug der ihnen bislang gezahlten Gefahrenzulage - ein Hinweis auf die allgemeinen Lohnverhältnisse in diesem Gewerbezweig. Mit einer Verzögerung von 40 Jahren gegenüber der Tuchindustrie betrieb die Firma Heusch & Kern 1846 als erster Aachener Nadelbetrieb eine Dampfmaschine. Von großer Bedeutung für das exportorientierte Nadelgewerbe war darüberhinaus die 1851 durch Singer (USA) aufgenommene Serienproduktion von Nähmaschinen. Als erstes europäisches Unternehmen übernahm die Firma Stephan Beißel die Nähnadelproduktion für Singer. Noch heute behauptet sich der 1730 gegründete Familienbetrieb u.a. durch die Produktion von Spezialnadeln für Nähmaschinen. In den 60er Jahren kam es zu einer Vielzahl von Firmenneugründungen. Genannt sei stellvertretend die noch bestehende Firma Leo Lammertz. Gegen Ende des Jahrhunderts begann, ähnlich wie im Tuchgewerbe, ein Prozeß der Firmenkonzentration auf Kosten kleiner Familienunternehmen. Eindrucksvoll ist in diesem Zusammenhang die Entwicklung der Firma Rheinnadel. 1898 aus dem Familienbetrieb Hubert Friedrich Neuß (Bruder des Nadelfabrikanten Heinrich Josef Neuß) hervorgegangen, übernahm die Rheinische Nadelfabriken AG bis 1930 zwanzig Nadelfabriken inner- und außerhalb Aachens. Hierzu gehörten auch so renommierte Unternehmen wie die Firma Ph. H. Pastor, Söhne. Im Vergleich zu 32 Betrieben im Jahr 1895 zählt Aachen heute noch fünf Nadelunternehmen. aus: Museum Burg Frankenberg [Hrsg.], Aachen im 19. Jahrhundert - Die Zeit der Frühindustrialisierung,
Aachen 1991. |
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